Ist gute Finanzberatung teuer?
Wo bekommt man ein gute Versicherungs- oder Finanzberatung und woran wird gute Beratung eigentlich gemessen? Der Artikel erläutert die Stärken und Schwächen der Finanzberatung in Deutschland und erläutert, warum es über einige Fragen ganze Glaubenskriege gibt, deren Frontlinien sich manchmal quer durch die Riege der Verbraucherschützer ziehen. So manche Beratung endet sogar vor dem Gericht und Berater werden schadensersatzpflichtig verklagt. Am Ende steht die Frage, warum nur ein Viertel der Berater mit einem – eigentlich vorgeschriebenen – Protokoll arbeitet und welche Rolle die Initiative „Gut Beraten“ dabei spielt.
Wie sieht eigentlich die Anlageberatung in Deutschland aus? So richtig überzeugen können fünf ausgesuchten Testbanken offenbar nicht. Zwei Journalisten hatten sich als unverheiratetes Paar ausgegeben und waren auf Mystery Shopping Tour gegangen. Fünf Banken hatten sie gebeten, ihnen Anlagetipps zu geben. Das Ergebnis fällt eher durchwachsen aus. Bei der Deutschen Bank fühlt sich das Paar zunächst wohl. Der Berater macht einen kompetenten Eindruck. Am Ende liegt das Angebot eines “Best Allocation Fonds” auf den Tisch und das Paar bleibt etwas ratlos zurück. Die Naspa-Beraterin hingegen wirkt wenig geschult und kommt schnell zur Sache, indem sie Dekafonds anbietet. Das Paar ist irritiert. Die Targobank bietet gemanagte Fonds an, allerdings zu teilweise recht deutlichen Ausgabeaufschlägen und hohen Jahreskosten. Bei der Frankfurter Volksbank erzählt man ihnen wiederum, dass die meisten Fonds zu nichts gut sein würden, um dennoch ein Fonds-Angebot zu unterbreiten. Das Paar fühlt sich zwar zum Teil gut beraten, ist aber am Ende so irritiert, dass das Fazit eher bescheiden ausfällt, worunter gehört, dass man bei einer Anlageberatung auf jeden Fall mehrere Institute aufsuchen solle.
Banken sind wichtigster Vertriebskanal für Lebensversicherungen
Doch wer meint, Banken seien lediglich Vertriebsvehikel für Fondsprodukte, irrt: Auch bei Deutschlands konservativstem Anlageprodukt, der Lebensversicherung, haben Banken mittlerweile den größten Marktanteil im Vertrieb von Lebensversicherungen gewonnen. Zu diesem Ergebnis kam der 15. Vertriebswege-Survey von Towers Watson. Danach sind 28,5% der Lebensversicherungsverträge über Bankschalter gegangen. An zweiter Stelle folgte der Ausschließlichkeitsvertrieb der Versicherer mit 28,1% und den Maklern mit 26% auf Platz 3. Grund für den Erfolg der Banken im Versicherungsvertrieb ist unter anderem auch die Zunahme des Einmalgeschäfts, das mit attraktiven Zinsen Anleger anlocke.
Kritik von Verbraucherschützern
Neben Fondsbeteiligungen und Lebensversicherungen gibt es noch zahlreiche weitere Anlageprodukte, die hauptsächlich im freien Vertrieb außerhalb der Bankschalter zum Einsatz kommen. Die Rede ist von dem sogenannten „grauen Markt“. “Stabilität”, “Sachwerte”, “Inflationsgeschützt” – wenn es darum geht, riskante Graumarktprodukte grün zu verpacken, ist die Kreativität der Anbieter grenzenlos. Die Verbraucherzentrale Bremen ist besorgt, dass Verbraucher hier massiv getäuscht und in die Irre geleitet werden. In einem Projekt “Klimafreundliche Geldanlage” untersuchte sie Anlageprodukte und ihre Werbebotschaften. Dabei ist beispielsweise besonders oft von “Rückzahlungsgarantien” und “garantierten Ausschüttungen” bei Produkten die Rede, hinter denen sich oft hochriskante und spekulative Anlagen verbergen.
Kritik an Verbraucherschützern
Doch gibt es nicht nur Kritik von Verbraucherzentralen; es gibt auch Kritik an Verbraucherzentralen. Vor allem ihre eigene Beratungspraxis wird kritisiert, denn diese beraten in der Regel ohne Sachkundenachweis. Ein Missstand, der umso gravierender ist, da mit diesem Nachweis auch eine Berufshaftpflichtversicherung gegen Fehlberatung verbunden ist. Dabei ist die Beratung durch die Verbraucherzentralen durchaus nicht kostenfrei: Eine persönliche Versicherungsberatung kostet bei der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen beispielsweise 40 Euro pro angefangene 30 Minuten, das sind 80 Euro pro Stunde. Dafür erfährt der Verbraucher jedoch nichts über die Qualifikation der dort angestellten Berater. Besonders in der Kritik steht dabei die Verbraucherzentrale Hamburg. Diese setzt sich besonders stark gegen die provisionsgetriebene Beratung ein – und verlangt selbst 150 Euro für ein 90minütiges Beratungsgespräch. Das Beispiel der Verbraucherzentrale illustriert, dass hier offenbar ein Glaubenskrieg um die „richtige Beratung“ geführt wird. Verfechter der Honorarberatung stehen den Verteidigern der Provisionsberatung unversöhnlich gegenüber. Mittlerweile gibt es Staaten, in denen die Provisionsberatung sogar verboten wurde. So haben Großbritannien und die Slowakei die Honorarberatung mittlerweile verpflichtend eingeführt. Verbraucherschützer in Deutschland setzen sich besonders vehement für die Honorarberatung ein – ganz im Gegensatz zu den Kollegen in Österreich. Deutsche Verbraucherschützer sehen in der Honorarberatung das Ideal einer Kundenberatung ohne Eigeninteresse, aber gerade diesen Punkt widersprechen Maklerverbände vehement. Auch Satiriker Harald Schmidt schmunzelt, die Honorarberater gäben sich nur den Anschein des Ehrlichen.
Und dann gibt es noch die falschen Verbraucherschützer
Vielen Verbrauchern wissen, dass die ihre Lebensversicherung, anstatt zu kündigen, auf dem Zweitmarkt verkaufen können. Wer Lebensversicherungen auf dem regulären Zweitmarkt ankauft, der zahlt den Kaufpreis sofort in einer Summe aus – inklusive eines Mehrerlöses über Rückkaufswert. Der Dachverband der Ankäufer BVZL und die BaFin warnen jedoch auch immer wieder vor unseriösen Ankäufern, die den Kaufpreis nicht sofort, sondern später oder in mehreren Raten auszahlen wollen. Doch das fällt unter dem Tatbestand des Einlagengeschäfts, das der Zustimmungspflicht der BaFin unterliegt. Liegt diese nicht vor, wickelt die BaFin das Unternehmen ab. Umso unverständlicher ist es, wenn Berater ihre Kunden an betrügerische Ankäufer verweisen. Verbraucher, die zu solchen Geschäften gedrängt wurden, können in der Regel Anspruch auf Schadensersatz geltend machen. Das Beispiel der in Insolvenz gegangenen S&K Gruppe zeigt, dass sich sogar unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes selbst Geschäftspraktiken verbergen können, die alles andere, als das Interesse der Verbraucher im Sinn haben. Um ständig an frisches Geld heranzukommen, hatte S&K eigene Callcenter und externe Vertriebspartner beschäftigt. Unter der Bezeichnung “Westdeutsches Verbraucherkontor EFL“ wurden Kunden dazu gedrängt, ihre Lebensversicherung zu verkaufen.
Lebensversicherung: Legaler Betrug oder Primat der Altersvorsorge?
Unseriöse Policenankäufer machen sich die in der Bevölkerung vorherrschende Unsicherheit zunutze, indem sie gezielt gegen die Lebensversicherung Front machen. Mittlerweile herrscht auch hier ein Glaubenskrieg um Sinn oder Unsinn der Lebensversicherung. Selbst Richter mussten sich bereits mit dieser Frage beschäftigen. Viele Aussagen über die Lebensversicherung widersprechen einander geradezu diametral. Lebensversicherungen werden stets für sehr lange Zeiträume abgeschlossen. Generell gilt: Je länger die Vertragslaufzeit, desto höher die Rendite. Kündigt man seinen Vertrag jedoch vorzeitig, macht der Versicherte in der Regel Verlust: Denn er verliert dann die Ansprüche auf die Schlussüberschüsse, die einen wichtigen Teil der Rendite ausmachen und muss obendrein hohe Stornokosten bezahlen. Dennoch kündigt nahezu jeder zweite Versicherte seine Lebensversicherung vorzeitig. Grund genug für BdV-Chef Axel Kleinlein vom “Legalen Betrug der Lebensversicherung” zu sprechen. Demgegenüber behauptete die damalige BaFin-Chefin König: “Dem Bürger muss bewusst sein, dass die Lebensversicherung ein Vertrag mit einer langfristigen Bindung ist”. Er solle sich im Klaren sein, dass die vorzeitige Kündigung für ihn “regelmäßig nachteilig” sei, so König gegenüber der FAZ. König begründet ihre Haltung unter anderem mit dem Primat der Versichertengemeinschaft vor den Interessen einzelner Versicherungsnehmer. Mit „legalem Betrug“ hat das also eher wenig zu tun.
Durch Beratungsqualität Stornoquote senken
Dabei sind nicht nur die Verbraucher, sondern auch die Versicherer selbst darauf angewiesen, dass die Qualität der Berater vor Ort gut ist, So die Stornoquote in der Lebensversicherung beispielsweise ein wesentlicher Kostentreiber bei den Verwaltungs- und Abschlusskosten. Durch eine gute Beratungsqualität lässt sich diese senken. Zur gesetzlich vorgeschriebenen Best-Advice-Beratung sollte daher auf jeden Fall gehören, bereits bei Abschluss einer Lebensversicherung auf die Möglichkeit einer späteren Verwertung hinzuweisen, zum Beispiel durch Verkauf auf dem Zweitmarkt.
Fehlendes Beratungsprotokoll führt zur Umkehr der Beweislast
Jedoch nicht nur Verbraucher und Versicherer, auch die Berater selbst sollten ein natürliches Interesse an Best-Advice-Beratung haben. Andernfalls können sie sich der Falschberatung schuldig machen. So führt nach einem Urteil des BGH vom 13.11.2014 (Az.: III ZR 544/13) bereits ein fehlendes Beratungsprotokoll zur Umkehr der Beweislast. Der Kläger hatte sich von seinem Berater zur Kündigung seiner Lebensversicherung mit gleichzeitigem Neuabschluss drängen lassen. Dies ist in gleich fünffacher Weise nachteilig für den Verbraucher: Die Steuerfreiheit des Altvertrages entfällt, die neue Police verteuert sich durch das höhere Eintrittsalter, zudem fallen Stornokosten an, ferner Abschlusskosten für die neue Police und der Garantiezins ist bei Neuabschlüssen obendrein niedriger. Der beklagte Versicherungsvermittler streitet ab, den Kunden zu einer solchen Umdeckung gedrängt zu haben. Doch ein fehlendes Beratungsprotokoll führt automatisch zur Beweislastumkehr. Damit wird der Vermittler der Falschberatung schuldig. Obendrein warnen auch Verbraucherschützer vor solchen Umdeckungen von Lebensversicherungspolicen.
Das Beratungsprotokoll: Schadet es mehr, als es nutzt?
Das Beratungsprotokoll wurde 2002 in Folge einer EU-Richtlinie für die Finanzberatung eingeführt. Es soll in erster Linie die Konsumenten schützen. Doch Verbraucherschützer beklagen, dass es immer öfter den Finanzdienstleistern dabei nutzt, Beratungsfehler zu verbergen. In Deutschland verzichten einer Studie zufolge Drei Viertel der Berater auf das Beratungsprotokoll und gehen damit das Risiko der Beweisumkehr vor Gericht ein. In Österreich wiederum wird kaum ein Finanzgeschäft ohne Beratungsprotokoll abgeschlossen, oft auch zum Nachteil des Kunden. So hatte das Bezirksgericht für Handelssachen Wien eine Konsumentenklage abgewiesen, dem eine Lebensversicherung verkauft wurde, obwohl er ausdrücklich eine kurzfristige Anlage gewünscht hatte. Im Beratungsprotokoll hat er allerdings – wahrscheinlich ohne dies zu lesen – unterschrieben, dass er eine Langfristanlage gewünscht hätte.
Was ist die Weiterbildungsinitiative „Gut beraten“?
Wie schafft man es, die Fachkompetenz der Berater weiter zu stärken und das oftmals gestörte Vertrauen der Verbraucher in die Finanz- und Versicherungsberatung wieder zurückzugewinnen? Diese Frage hatte sich 2014 das Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) e.V. gestellt und die Weiterbildungsinitiative „Gut Beraten“ ins Leben gerufen. Die Initiative soll helfen, die Beratungsqualität weiter zu verbessern. Akkreditierte Versicherungsvermittler verpflichten sich dabei, in einem Zeitraum von 5 Jahren mindestens 200 Weiterbildungspunkte zu sammeln. Auch Policen Direkt ist akkreditierter Schulungsanbieter und bietet regelmäßig Webinare an, die mit je einem Weiterbildungspunkt belohnt werden. Allerdings wurde auch Kritik an der Initiative geäußert, dass Versicherer Produktschulungen als Weiterbildung tarnen würden. Der Fokus der Schulungen von Policen Direkt liegt weiterhin auf der Funktionsweise des Zweitmarktes für Lebensversicherungen. Er soll helfen, die Best-Advice-Beratung weiter zu verbessern.
In Kürze:
Banken sind der wichtigste Vertriebskanal für Lebensversicherungen
Verbraucherzentralen kritisieren den Graumarkt
Verbraucherzentralen werden selbst wegen ihres eigenen kostenpflichtigen Beratungsangebotes ohne Sachkundenachweis und Haftung kritisiert
Verbraucherschutz wurde auch als Deckmantel für betrügerische Geschäfte missbraucht
Glaubenskrieg I: Pro und Contra Lebensversicherung
Glaubenskrieg II: Provisions- vs. Honorarberatung
Best-Advice-Beratung hilft die Stornoquote der Versicherer zu senken
Fehlendes Beratungsprotokoll führt zur Beweislastumkehr
Dennoch verzichten 75% der Berater auf ein Beratungsprotokoll
Weiterbildungsinitiative „Gut Beraten“ soll die Beratung weiter verbessern
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Interessant, dass die meisten Lebensversicherungen über Banken vertreiben wurden. Ich habe auch schon darüber nachgedacht eine Lebensversicherung abzuschließen. Aber ich denke, ich werde erstmal einen Termin mit einer unabhängigen Finanzberatung machen.