Vorsicht Falle! Wie Verbraucher zur Kündigung gedrängt werden
Dieser Artikel beleuchtet die Risiken einer Kündigung der Lebensversicherung und untersucht, warum trotz der vielen Nachteile immer wieder Verbraucher zur Kündigung gedrängt werden. Lebensversicherungen wecken nicht selten Begehrlichkeiten bei vermeintlich wohlmeinenden Beratern. Denn der Rückkaufswert einer Police, in die man schon seit ein paar Jahren einzahlt, erreicht nicht selten fünfstellige Beträge. Viele Versicherte überlegen selbst, ob sie sich nicht einfach von ihrer Police trennen, und das Geld anderweitig ausgeben sollten, beispielsweise für eine Hochzeit, das Studium der Kinder oder einen Immobilienerwerb. Auch so mancher Finanzberater schlägt eine Verwertung der Police vor. Doch sollten Sie auf der Hut sein. In diese Fallen kann man dabei beraten:
1. Die fahrlässige Kündigung
Bereits fehlende Aufklärung bei der Kündigung der Lebensversicherung kann zu einer Schadensersatzklage berechtigen. Denn gemäß §61, Abs. 1 VVG ist der Versicherungsberater dazu verpflichtet, vollumfassend über die Lebensversicherung aufzuklären. Dazu gehören insbesondere die hohen Kosten einer vorzeitigen Vertragskündigung und alle anderen damit verbundenen Nachteile, wie der Verlust des Versicherungsschutzes und die Kündigung eventueller Zusatzpolicen, wie z.B. Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ). Weist der Berater nicht ausreichend auf diese Risiken hin, kann dies Schadensersatzansprüche nach sich ziehen. Zu dieser Auffassung gelangte der BGH in einem Urteil (III ZR 544/13). Im Rahmen einer Best-Advice-Beratung sollte der Kunde nicht nur über die Risiken einer vorzeitigen Kündigung hingewiesen werden, sondern ihm sollten auch Alternativen aufgezeigt werden, darunter der Verkauf auf dem Zweitmarkt für Lebensversicherungen. In Großbritannien ist diese Hinweispflicht über die Möglichkeit eines Verkaufs auf dem Zweitmarkt sogar schon 2001 gesetzlich verankert worden. Tipp: Fragen Sie den Berater gezielt nach Nachteilen einer Kündigung nach. Bestehen Sie auf ein Beratungsprotokoll. Hält er Informationen zurück, sollten Sie misstrauisch werden.
2. Die Umdeckung
Es gibt Versicherungsberater, die bestehende Altverträge prüfen, diese dann als zu teuer oder ungeeignet erscheinen, dann aber einen Neuabschluss als Lösung anbieten. Einen Altvertrag in einen neuen umzutauschen, nennt man Umdeckung – und kann ebenfalls Schadensersatzklagen nach sich ziehen. Die vermeintliche Unrentabilität von Lebensversicherungspolicen ist schon oft ein Marketingargument für findige Vertriebsprofis gewesen. Von einer Umdeckung profitiert ausschließlich der Vermittler, da er die hohe Abschlussprovision kassiert, während der Versicherte nicht selten einen gut verzinsten Altvertrag gegen eine neue Police mit schlechterer Verzinsung eintauscht und dabei manchmal sogar Zusatzversicherungen verliert, die entweder gar nicht mehr oder nur noch zu höheren Kosten abgeschlossen werden können. Auch fallen bei jeder Kündigung Stornogebühren an, die dazu führen, dass eine Umdeckung für den Versicherten ein schlechtes Geschäft ist. Gegen diese Unsitte wendet sich auch ein Urteil des LG München, das die Umdeckung von Lebensversicherungen als sittenwidrig bezeichnet (Az 34 O 25826/12). Geprellte Anleger können somit die Berater auf Schadensersatz verklagen. Tipp: Fragen Sie nach, welche konkreten Vorteile der neue Vertrag bringen soll. Lassen Sie sich nicht zu einer Kündigung drängen.
3. Die Umschichtung
Vor dem Bonner Landgericht mussten sich 2014 vier Personen verantworten, denen 59-facher Betrug in besonders schweren Fall und Verstöße gegen das Kreditwesengesetz vorgeworfen wurde. Sie kauften Lebensversicherungen an – ohne jedoch den Kaufpreis auszuzahlen, und wenn – dann nur mit Verzögerung – wenn neue Policen angekauft wurden, welche wiederum (was angenommen werden kann) sofort storniert worden waren, um entsprechende liquide Mittel zur Fortsetzung ihres selbsterdachten Schneeballsystems zu haben. Das perfide daran: Sie versprachen einen Mehrwert von 15% über dem Rückkaufswert – also ungefähr das, was auch seriöse, im BVZL organisierte Ankäufer als Maximum zahlen. Allerdings zahlen Ankäufer des BVZL den Kaufpreis auch tatsächlich in einer Summe aus und führen die Police weiter, auch dies ein Unterscheidungsmerkmal zu unseriösen Ankäufern. Umschichter erkennen Sie meist daran, dass Sie die Rendite der Lebensversicherung in Frage stellen und mit höher verzinsten Anlagen vergleichen. In der Regel verfügen solche Umschichter jedoch noch nicht einmal über die dafür notwendige Erlaubnis der BaFin. Zudem sind höhere Renditeversprechen stets mit höheren Risiken verbunden. Tipp: Je höher die versprochene Rendite, desto höher das Risiko. Je mehr Sicherheit versprochen wird, desto misstrauischer sollten Sie wiederum sein.
4. Das Gebührenmodell
Einige Unternehmen nennen sich „professionelle Kündiger“ und kaufen Lebensversicherungen an, wobei sie den vollen Kaufpreis auszahlen. Dieser liegt jedoch oft unter dem Rückkaufswert, den der Versicherer ausgezahlt hätte oder er wird durch Bearbeitungs-, Verwaltungs- oder Ankaufsgebühren geschmälert. Einige Unternehmen verlangen auch Mitgliedsbeiträge. In der Regel wird auch die Abgeltungssteuer ganz oder teilweise einbehalten, die dem Versicherten bei Verkauf eigentlich zustehen und die den Kaufpreis zusätzlich schmälern. Diese Passage findet man oft versteckt in den AGB. Begründet werden diese Gebühren oft durch Rechtsdienstleistungen, durch die man den Versicherten höchst fragwürdige Nachzahlungen in Aussicht stellt. Dabei hat der BGH den Ankauf von Lebensversicherungen zum Zwecke der Kündigung und Rückabwicklung für nichtig erklärt (IV. Zivilsenat, Urteil vom 11.12.2013, IV ZR 46/13). Im betreffenden Fall bot ein Unternehmen eine solche Dienstleistung an, die gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz gemäß § 134 BGB, § 2 Abs. 2 und RDG, § 3 verstößt. Eine solche Rechtsdienstleistung wäre aber erlaubnispflichtig. Der Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt für Lebensversicherungen (BVZL) weist darauf hin, beim Verkauf der Lebensversicherung darauf zu achten, dass die Police weitergeführt wird und der vollständige Kaufpreis sofort in einer Summe ausgezahlt wird. Tipp: Lesen Sie sich die AGB des Ankäufers genau durch. Dort sind in der Regel Kosten, Gebühren und Steuertricks versteckt. Kontaktieren Sie im Zweifelsfall die Verbraucherzentrale
Die vier Kündigungsfallen in der Übersicht:
Fazit: Bewahren Sie immer einen kühlen Kopf. Je mehr der Berater Sie zum Handeln drängt, desto vorsichtiger sollten Sie sein. Bestehen Sie auf ein Beratungsprotokoll. Bestehen Sie darauf, die Unterlagen zu Hause in Ruhe durchlesen können. Recherchieren Sie im Internet, fragen Sie Freunde oder kontaktieren Sie im Zweifel die Verbraucherzentrale. Wenn Sie sich tatsächlich von Ihrer Lebensversicherung trennen wollen, beispielsweise aus Gründen des Liquiditätsbedarfs, so wird Sie ein guter Berater an den Zweitmarkt für Lebensversicherungen verweisen, der 2012 durch Stiftung Warentest überprüft worden ist. Die Testergebnisse können Sie hier nachlesen. Die Unternehmen des Zweitmarktes zahlen Kaufpreise über dem Rückkaufswert. Die Zahlung erfolgt sofort und in einer Summe. Sie führen die Police in der Regel nach dem Ankauf fort. Damit bleibt dem Versicherten auch nach Verkauf der Police noch ein beitragsfreier Rest-Versicherungsschutz erhalten. Nach Angaben der Stiftung Warentest sind seriöse Ankäufer im Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt für Lebensversicherungen (BVZL) organisiert und sind zu Einhaltung einheitlicher Qualitätsstandards verpflichtet. Die Alarmglocken sollten auf jeden Fall läuten bei:
Zum Abschluss wird gedrängt
Bewerben „alternativer Anlagen“, meist mit höherer Rendite
Der Ankauf der Lebensversicherung ist gebührenpflichtig
Es werden nur Teilbeträge des Kaufpreises ausgezahlt
von Dipl. Betriebswirt Matthias Wühle, M.A.
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